Wenn mit der Pubertät die Depression kommt
Die Selbsthilfekontaktstelle der Diakonie in Südwestfalen möchte einen anonymen Gesprächskreis gründen. Eingeladen sind Eltern, deren Kinder im Teenie-Alter unter Depressionen leiden.
Eine mürrische Antwort, ein Rückzug ins eigene Zimmer, keine Lust auf Schule: Am Anfang waren es kleine, schleichende Anzeichen, dass sich Annabelle vom Familienalltag entfernte. Nichts Ungewöhnliches zunächst, stand das Mädchen mit zwölf Jahren doch an der Schwelle zur Pubertät. Doch es war nicht allein das Erwachsenwerden der Tochter, das die Familie von Natascha G. (alle Namen geändert), vor unvorstellbare Herausforderungen stellte – und bis heute stellt. Annabelle ist schwer depressiv, verletzt sich selbst, hat Selbstmordgedanken. In Siegen möchte die Mutter nun mithilfe der Selbsthilfekontaktstelle der Diakonie in Südwestfalen einen anonymen Gesprächskreis gründen. Eingeladen sind Eltern, deren Kinder im Teenie-Alter unter der psychischen Erkrankung leiden.
Es war der Sommerurlaub 2024, der alles veränderte. „Annabelle liebt das Wasser, das Schnorcheln“, erinnert sich die Mutter. Doch in Spanien genoss die damals Zwölfjährige nichts von alldem. Außer dem Alleinsein in den frühen Morgenstunden. „Sie stand extra früher auf, um, wie sie sagte, die Ruhe zu genießen“, sagt Natascha G.. Wieder zu Hause wurde es von Tag zu Tag schlimmer. Annabelle wollte nicht zur Schule. Musste mehrfach in der Woche aus dem Unterricht abgeholt werden, aufgrund von Übelkeit oder Bauchschmerzen. Und nach den Herbstferien kam der körperliche Zusammenbruch: „Meine Tochter konnte nicht mehr“, so die 48-Jährige. Was folgte war eine Anbindung an die Psychotherapeutische Hochschulambulanz der Universität Siegen. Bis heute unterstützt das Team die Familie. Fast vier Monate verbrachte Annabelle zudem in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie. Heute geht sie wieder in die Schule, ein paar Stunden am Tag, ohne benotet zu werden. „Es ist nicht sicher, dass sie es schafft, aber wir hoffen es“, sagt die Mutter.
Für die gesamte Familie ist die Zeit mehr als schwierig. Annabelle spricht nicht über ihre Depression. Niemand kennt einen Auslöser. „Studien besagen, dass es auch keine Ursache geben muss. Möglich ist, dass die Hormone, die die Pubertät mit sich bringt, depressive Erkrankungen triggern“, so Natascha G.. Sie versucht die Familie zusammenzuhalten, um auch für Annabelles zwei Jahre jüngere Schwester da zu sein. Auch sie entwickelte Ängste, schläft seit einiger Zeit nicht mehr alleine. Und auch auf die Paar-Beziehung mit ihrem Ehemann hat die Erkrankung Auswirkungen, wie Natascha G. verrät: „Klar fragt man sich, was man falsch gemacht hat. Und ab und an verfällt man dann auch in Vorwürfe.“
Die Selbsthilfegruppe soll Möglichkeit zum Austausch geben und ein Ort sein, an dem Menschen mit den gleichen Fragen zusammenkommen. Betroffene, die sich in geschützter Gesprächsatmosphäre vertraulich austauschen möchten, können sich an die Selbsthilfekontaktstelle der Diakonie in Südwestfalen wenden – unter der Telefonnummer 0271/500 3131 oder per E-Mail an selbsthilfe@diakonie-sw.de
