Mehr als nur Helferinnen im Seniorenheim
Als Pflegehelferinnen waren sie bereits in den Seniorenheimen tätig. Nun haben sechs Mitarbeiterinnen der Diakonischen Altenpflege Siegerland ihre Praxiserfahrung in einen vollwertigen Abschluss verwandelt.
Wochenlang haben sie gepaukt, haben sich neben ihrem fordernden Berufsalltag das Wissen für ihre Prüfung angeeignet. Doch Fleiß und Mühen haben sich gelohnt: Sechs Mitarbeiterinnen der Diakonischen Altenhilfe Siegerland dürfen sich seit Kurzem Pflegefachassistentinnen nennen. Das Besondere: Sie haben die Qualifikation als externe Prüflinge erworben, das heißt ohne den eigentlich obligatorischen, einjährigen Bildungsgang an einer Pflegeschule besucht zu haben.
Möglich macht dies die 2021 in Nordrhein-Westfalen eingeführte Landesverordnung, die die Grundlagen der einjährigen, generalistischen Ausbildung in der Pflegefachassistenz regelt. Um für die Externenprüfung zugelassen zu werden, braucht es eine wesentliche Voraussetzung, weiß Ralf Damjancic, koordinierender Praxisanleiter bei der Diakonischen Altenhilfe Siegerland: „Man sollte in der Pflege bereits reichlich und kontinuierlich Berufserfahrung mitbringen.“
Nur zwölf Wochen für den Lernstoff
Zwei Frauen, auf die diese Kriterien zutreffen, sind Aynur Simsek und Katharina Ciliox. Beide arbeiten schon seit mehreren Jahren im Siegener Sophienheim – und haben dort nun auch den praktischen Teil ihrer Ausbildung abgelegt. Aynur Simsek absolvierte einst ein Praktikum im Wohnbereich vier. „Das hat mir so gut gefallen, dass ich 2016 hier als Pflegehelferin angefangen habe“, berichtet die 41-Jährige. Inzwischen zählt sie im Sophienheim sozusagen zum Inventar – doch durch die nachträgliche Ausbildung habe sich ihr Horizont deutlich erweitert: „Natürlich wusste man aus dem Arbeitsalltag so manches schon, aber es ist auch sehr viel neues Wissen hinzugekommen.“
Dabei haben die „Externen“ gerade mal zwölf Wochen Zeit, um sich selbstständig die Fülle an Lernstoff anzueignen, den Azubis an einer Pflegeschule in zwölf Monaten vermittelt bekommen – und das wohlgemerkt parallel zu ihrer praktischen Arbeit. Inhaltlich geht es dabei um Krankheitsbilder und Vitalwerte, Medikamente und deren Nebenwirkungen, Hygiene und Rechtsgrundlagen, den Umgang mit Demenzkranken, aber beispielsweise auch – da es sich um die generalistische Ausbildung handelt – um Wissen in der Kinderkrankenpflege. „Das Lernen noch mal zu lernen, ist gar nicht so leicht“, schmunzelt Katharina Ciliox (53), die gleichfalls bereits seit Jahren im Sophienheim tätig ist. „Schließlich sind wir schon ein Weilchen aus der Schule raus.“ Und Aynur Simsek fügt lächelnd hinzu: „Erst haben wir gedacht: Das packen wir nicht! Aber es ist zu machen.“
Herausfordernde Zeit auch für die Einrichtung
Weil das Ganze so anspruchsvoll ist, hält man bei der Diakonischen Altenhilfe Siegerland sehr gezielt Ausschau nach Mitarbeitenden, die für das Modell infrage kommen, erläutert Ralf Damjancic: „Wir überlegen, für wen das etwas sein könnte – einmal vom fachlichen Wissensstand her, aber natürlich muss es auch von den privaten Umständen her passen.“ Im Sophienheim hatten Einrichtungsleiter Pasquale Sting und Pflegedienstleiterin Anna Schmidt schnell Aynur Simsek und Katharina Ciliox auf dem Zettel – wohlwissend, dass die Zeit auch für die Einrichtung selbst durchaus herausfordernd wird. Denn während ihrer dreimonatigen Praxisvorbereitung standen die beiden Mitarbeiterinnen freilich nicht mehr als Pflegehelferinnen im Dienstplan, berichtet Sting: „Als Schülerinnen schlüpfen sie in eine komplett neue Rolle. Sie sollen ja ganz bewusst raus aus ihrer gewohnten Routine.“
Damit dies gelingt, ist die Unterstützung aus dem gesamten Team enorm wichtig. Und von dort gab’s reichlich Rückendeckung, betont Aynur Simsek: „Die Kolleginnen haben uns ganz viel Mut gemacht.“ Allen voran Tatjana Wüst, die als Praxisanleiterin die beiden Schülerinnen unter ihren Fittichen hatte und sich dafür ebenfalls teilweise aus dem üblichen Arbeitsalltag ausklinken musste. „Sehr intensiv“ seien die wenigen Wochen der Vorbereitung auf die praktische Prüfung gewesen, berichtet sie. Denn ein „Schema F“ gebe es in der Arbeit mit pflegebedürftigen Menschen nun mal nicht: „Kein Tag ist wie der andere.“ Und so gab es täglich je eine eineinhalbstündige Vor- und Nachbesprechung. Dabei hatte Tatjana Wüst stets im Blick, ihre beiden Schützlinge „zu fördern, aber nicht zu überfordern“.
Ein Beruf mit Verantwortung
So bestens vorbereitet, wurden Aynur Simsek und Katharina Ciliox kurz vor ihrem Abschluss in den Kurs an der Pflegeschule der Deutschen Angestellten-Akademie (DAA) in Siegen integriert. Das Examen selbst besteht aus einer mündlichen, zwei schriftlichen sowie der praktischen Prüfung. Am Ende haben alle bestanden, nicht nur die beiden Mitarbeiterinnen aus dem Sophienheim, sondern – sehr zur Freude von Ralf Damjancic – auch die vier weiteren Azubis der Diakonischen Altenhilfe: Julia Zimmermann und Sylvia Gühmann (beide Haus Obere Hengsbach, Siegen) sowie Andrea Schmidt und Esther Lea Schmidt (beide Seniorenstift Elim, Bad Laasphe).
Als frisch gebackene Pflegefachassistentinnen erfüllen sie in ihren Einrichtungen jetzt mehr noch als bisher wichtige Tätigkeiten mit denen sie das Pflegefachpersonal entlasten. Sie kümmern sich zum Beispiel um Routineaufgaben wie Blutdruck- oder Blutzuckermessen, geben Medikamente aus und legen Verbände an. Aber natürlich sind sie nicht nur fachlich, sondern auch auf menschlicher Ebene für die Pflegebedürftigen da. „Ihre Kernaufgabe ist die Betreuung in stabilen Pflegesituationen“, erläutert Ralf Damjancic. „Dabei arbeiten sie nicht nur im Großen und Ganzen selbstständig, sondern tragen auch Verantwortung, indem sie den Gesundheitszustand der ihnen anvertrauten Menschen beobachten und im Bedarfsfall eine Pflegefachkraft oder einen Arzt hinzuziehen. Daran sieht man, dass die Arbeit weit über eine reine Helfertätigkeit hinausgeht.“
Angesichts des Fachkräftemangels sind die erst 2021 in NRW eingeführten Pflegefachassistenzen in vielen Einrichtungen kaum mehr wegzudenken. Auch nicht im Sophienheim, wo nun bereits fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die entsprechende Ausbildung absolviert haben. „Die Pflegefachassistenz ist ein wertvoller Zugewinn und wird als Beruf in Zukunft sicherlich noch wichtiger werden, sowohl in der stationären, als auch in der ambulanten Pflege“, sagt Einrichtungsleiter Sting. „Sie bringt enorme Entlastung und trägt dazu bei, dass das qualifizierte Personal viel zeitoptimierter arbeiten kann."