Gefäßchirurgen setzen erstmals neue Aorten-Prothese ein
Im Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen haben Gefäßchirurgen erstmals eine neuartige Prothese eingesetzt. Die spezielle Gefäßstütze stabilisiert lebensgefährliche Aufdehnungen der Hauptschlagader und wurde für den Aortenbogen konzipiert – eine aufgrund seiner Anatomie anspruchsvollen Stelle – für die bisher meist eine zusätzliche offene Operation notwendig war.
Das Diakonie Klinikum Jung-Stilling ist das vierte Krankenhaus in Nordrhein-Westfalen und damit unter den Top 20 Kliniken bundesweit, die diese Prothese einsetzen. Mit dem neuen Behandlungsangebot hat die Klinik für Gefäßchirurgie ihren Stellenwert unterstrichen und gehört zu den wenigen führenden Zentren mit überregionalem Ruf in der Therapie von Aortenpathologien.
Die Klinik für Gefäßchirurgie um Chefarzt Dr. Ahmed Koshty ist unter anderem auf die Therapie der Hauptschlagader (Aorta) spezialisiert. Gefäßaussackungen, sogenannte Aorten-Aneurysmen, entstehen durch Veränderungen in der Gefäßwand im Alter, durch Krankheiten, Unfälle oder genetisch bedingt. Ein Aorten-Aneurysma verursacht in der Regel keine Symptome und wird häufig zufällig bei einer Routineuntersuchung mittels Ultraschall oder Computertomographie entdeckt. Mit zunehmendem Durchmesser der Aussackung nimmt die Stabilität der Aortenwand ab und es besteht die Gefahr, dass das Aneurysma reißt. Unbehandelt führt das innerhalb kurzer Zeit zum inneren Verbluten, daher sollte das Gefäß zeitnah stabilisiert werden. Gefäßchirurgen setzen Stentprothesen, sogenannte Stentgrafts, bei Aneurysmen als auch bei Dissektionen (Einrissen der innersten Gefäßwand) ein. Dabei handelt es sich um ein mit synthetischem Stoff überzogenes Metallgerüst, welches die Hauptschlagader von innen stabilisiert. Chirurgen führen ihn in zusammengefalteter Form über einen speziellen Katheter in das Gefäßsystem ein und setzen ihn dann frei. Vor dem Kathetereingriff erfolgt eine Computertomographie, um zu schauen, ob der Befund für diese Prothese in Frage kommt. Je nach Aortenabschnitt und Krankheitsbild nutzen die Experten viele verschiedene Stentprothesen. „Aneurysmen im Bereich des Aortenbogens sind besonders gefährlich. Die Versorgung mittels Stent erfordert große Erfahrung und Präzision. Aus dem Aortenbogen entspringen die Arm- und Halsarterien“, erklärt Dr. Koshty. Die Klinik für Gefäßchirurgie im Diakonie Klinikum Jung-Stilling gehört zu den wenigen Zentren in Deutschland, die Aneurysmen des Aortenbogens endovaskulär (innerhalb des Gefäßes) versorgen können. Bei der endovaskulären Therapie wird über die Leistengefäße ein Stentgraft von innen in die Hauptschlagader eingebracht und unter Röntgendurchleuchtung mit Kontrastmittel an der richtigen Stelle positioniert. Die neue Stentprothese ist speziell für diesen Beriech konzipiert, denn in ihrem Drahtgeflecht ist eine Öffnung für die Abzweigung der linken Armarterie ausgespart. Der zusätzliche Seitenarm gewährleistet, dass diese Gefäße ausreichend durchblutet werden. „Nicht selten mussten wir früher die Armgefäße in einer offenen Operation vor dem Kathetereingriff umleiten“, so Meshal Elzien, leitender Oberarzt der Gefäßchirurgie. „Das ist, dank der neuen Prothese, in vielen Fällen nicht mehr nötig. Vor allem für ältere Patienten, für die eine offene Operation ein hohes Risiko darstellt, bietet die neue Prothese eine minimalinvasive Alternative, bei der die einzige Wunde die Punktion in der Leiste ist.“
Um die Stents millimetergenau und präzise platzieren zu können, führen die Gefäßchirurgen solche komplexen Kathetereingriffe im Hybrid-Operationsaal durch. Zwei solcher Hightech-OP-Säle stehen im Diakonie Klinikum zur Verfügung. Der Hybrid-OP verbindet Chirurgie und Bildgebung. Eine moderne integrierte Angiographieanlage lässt sich mithilfe eines Roboterarms beliebig um den Patienten herum positionieren. Die Anlage erlaubt dreidimensionale Aufnahmen von Gefäßen – und das während des Eingriffs. Auf Monitoren kann sich der Chirurg sowohl aktuelle Bilder als auch Aufnahmen, die vor der OP gemacht wurden, ansehen und darüber hinaus miteinander kombinieren, während er den Katheter millimetergenau navigiert. Der Eingriff selbst dauert nur etwa eine halbe Stunde. Die Patienten bleiben wenige Tage zur Beobachtung im Krankenhaus. „Bei der Patientin, die erstmals in unserer Klinik diese Stentprothese erhalten hat, handelt es sich um eine 70-jährige Dame. Sie konnte bereits an Tag sieben die Klinik wieder verlassen und wird sich nach den vorgegebenen Leitlinien für Gefäßchirurgie zur Verlaufskontrolle in unserer ambulanten Sprechstunde vorstellen“, erzählt Chefarzt Dr. Ahmed Koshty. Weitere Patienten seien bereits geplant.