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Wenn der Glaube zum Gefängnis wird

21.02.2024

Viele Jahre lang gehörte eine Frau Glaubensgemeinschaften an, die dem christlichen Fundamentalismus zuzuordnen sind. Nach ihrem Ausstieg gründet sie nun eine Selbsthilfegruppe in Siegen.

Nein, ihren Glauben an Gott habe sie nicht verloren, sagt Hannah (Name geändert). Allerdings lebe sie diesen Glauben inzwischen frei und ohne Zwänge. Bis hierhin jedoch war es für die heute 38-Jährige ein langer Weg. Denn die junge Frau gehörte über viele Jahre Glaubensgemeinschaften an, die dem christlichen Fundamentalismus zuzuordnen sind. Was sich für sie anfangs wie ein Hort der Geborgenheit anfühlt, entpuppt sich mit der Zeit als ein System der Angst, Überwachung und Abschottung. Für Menschen wie sie, die den Ausstieg aus solchen Gemeinschaften gewagt haben oder mit dem Gedanken spielen, will Hannah in Siegen einen Gesprächskreis gründen. Unterstützt wird sie dabei von der Selbsthilfe-Kontaktstelle der Diakonie in Südwestfalen.

 

Hannah ist noch ein Teenager, als sie sich einer evangelikalen Freikirche anschließt. Obwohl evangelisch getauft, habe der Glaube in ihrem Leben zuvor keine große Rolle gespielt, erzählt sie. Ein sehr unsicheres Kind sei sie gewesen, habe wenig Zuwendung erfahren. Das ändert sich, als eine Freundin sie mit 13 Jahren zur Freikirche mitnimmt. Hier fühlt sie sich geborgen, sei von Anfang an regelrecht „mit Liebe und Aufmerksamkeit überhäuft“ worden. „Diese bedingungslose Annahme hat mir zunächst gutgetan, und ich habe mich dann recht schnell auf das volle Programm eingelassen.“

 

Als Jugendliche und anfangs noch als junge Erwachsene fühlt sich Hannah in ihrer neuen Glaubensheimat wohl. „Extrem unreif und unreflektiert“ sei sie da gewesen, sagt sie rückblickend. Doch mit zunehmendem Alter und Selbstbewusstsein mehren sich ihre Zweifel an den strengen Regeln der Gemeinschaft. Da wäre vor allem das Rollenbild der Frau, die sich dem Mann in jeder Hinsicht unterzuordnen habe. „Ich wollte aber kein devotes Heimchen am Herd sein.“ Oder der rigide Umgang mit dem Thema Körperlichkeit, das fast ausschließlich im Kontext von Sünde behandelt wird: Sex vor der Ehe ist tabu, Homosexualität sowieso. Vor- und außereheliche Beziehungen zwischen Mann und Frau würden mit Argwohn betrachtet, sagt Hannah, und es seien gerade die Frauen, die unter besonderer Beobachtung stünden. Ihnen werde etwa unterstellt, dass sie mit zu aufreizender Kleidung die Männer zur Sünde verführen. „Pass auf, wie Du aussiehst!“ – diese Ermahnung habe sie wieder und wieder gehört. 

 

Allmählich beginnt sie weitere Standpunkte zu hinterfragen: Allgemein anerkannte Erkenntnisse der Wissenschaft würden von diesen Glaubensgemeinschaften kategorisch abgelehnt, weil sie im Widerspruch zu deren wortwörtlichen Bibel-Auslegung stehen, sagt Hannah. Dämonisiert werde zudem vieles von dem, was in Musik und Film „in“ ist – stattdessen haben sich Evangelikale eine Art Parallel-Kultur mit eigenen Bands, Magazinen, Büchern, Radio- und Fernsehsendern geschaffen. Für Hannah bedeutet das, dass sie noch heute manchmal ein schlechtes Gewissen beschleicht, wenn sie etwa bestimmte Bücher liest, sich Harry-Potter-Filme anschaut oder sich für Computerspiele interessiert. „Ich frage mich dann oft: Darf ich das überhaupt?“

 

Und so verspürt sie bisweilen noch immer diese Enge und diesen Druck, der sie letztlich irgendwann dazu bewogen hat, dem radikal-christlichen Umfeld den Rücken zu kehren. „Uns wurde immer Angst gemacht, dass Freunde oder Familienmitglieder unseretwegen in der Hölle landen, wenn wir es nicht schaffen, sie vom Glauben zu überzeugen. Um Gottes Segen zu erhalten, wurden von mir Dinge erwartet, von denen ich mehr und mehr wusste, dass ich sie gar nicht schaffen kann“, sagt Hannah heute. Dennoch war der Abnabelungsprozess für sie sehr schmerzhaft. Schließlich habe die Gemeinschaft sie nicht nur als Heranwachsende extrem geprägt – wenn auch vielfach mit manipulativen Methoden –, sie sei auch mehr als 20 Jahre lang gewissermaßen ihr einziges soziales Umfeld gewesen. Nach ihrem Ausstieg habe sie sich sehr oft alleine gefühlt mit all ihren Ängsten und Gedanken – und sie weiß, dass es viele Menschen gibt, denen es ähnlich ergeht.

 

Für eine Teilnahme an der Selbsthilfegruppe spielt es keine Rolle, ob sich die Betroffenen den christlichen Glauben bewahrt oder damit gänzlich gebrochen haben. Der Gesprächskreis soll offen sein für theologische Fragen, „jedoch keinen Raum bieten für Missionierungsversuche – weder in die eine oder die andere Richtung“, betont die Gruppengründerin: „Es soll darum gehen, wie man frei seinen Glauben leben kann – und das in einem respektvollen, offen-toleranten Umgang.“

 

Betroffene, die sich in einem geschützten Gesprächskreis frei und anonym austauschen möchten, können sich an die Selbsthilfekontaktstelle der Diakonie in Südwestfalen wenden – unter der Telefonnummer 0271/500 3131 oder per E-Mail an selbsthilfe@diakonie-sw.de .

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