Netz statt Naht bei großen Bauchwandbrüchen
Unter einer Hernie ist eine krankhafte Lücke zwischen den Muskeln der Bauchwand zu verstehen, durch die das Bauchfell und innere Organe austreten können. Zu den häufigsten Hernien zählen Nabel-, Narben-, Zwerchfell- und Leistenbrüche, bei denen von außen eine Beule sichtbar werden kann. Typisch sind außerdem Schmerzen beim Heben schwerer Lasten. Zum Notfall wird ein Bruch, wenn beispielsweise Darmteile in der Lücke eingeklemmt werden. „Dann muss sofort operiert werden, da das Organstück absterben kann“, sagte Krattinger. Meist ist eine angeborene Bindegewebsschwäche ursächlich. Ein erhöhter Druck im Bauchraum durch unter anderem chronischen Husten, Asthma, Übergewicht oder eine Schwangerschaft sind weitere Auslöser. Um Hernien zu erkennen, tasten Ärzte die entsprechende Region ab, indem die Patienten stehen, liegen und dabei jeweils husten.
Bauchwandbrüche bilden sich nicht selbstständig zurück. „Unbehandelt kann sich die Lücke im Laufe der Zeit vergrößern“, so die Fachärztin. Zur ältesten Methode zählt die offene Operation. Dabei machen Chirurgen einen etwa fünf Zentimeter langen Schnitt, öffnen den Bruchsack und schieben den Inhalt zurück an seinen Platz in die Bauchhöhle. Bruchlücke und Bauchdecke werden anschließend mit einer Naht verschlossen – ein Verfahren, das sich meist bloß bei jüngeren Patienten mit einem kleinen Bruch anbietet.
In den vergangenen Jahren etablierten sich minimalinvasive Techniken mit winzigen Hautschnitten, um größere Brüche so zu behandeln, dass sie nicht wieder auftreten. Denn: „Nach Bauchoperationen besteht das Risiko für eine Narbenhernie“, sagte Passon. Um das zu meiden, führen Chirurgen heutzutage über drei kleine Schnitte im Nabelbereich eine Bauchspiegelung durch, schaffen sich mit Kohlenstoffdioxid Platz im Bauchraum und schieben den Bruchaustritt mithilfe einer kleinen Kamera und mit OP-Instrumenten in die Bauchhöhle zurück. Anschließend bedecken sie die Bruchlücke mit einem selbsthaftenden Kunststoffnetz. Körpereigenes Gewebe bildet in der Folge eine feste Barriere durch das Netz, wodurch sich die Bauchwand verstärkt und die Lücke spannungsfrei verschließt.
Neben herkömmlichen Bauchwandbrüchen informierte Passon über einen speziellen Fall – den Bruch am künstlichen Darmausgang (Stoma). Bei einem Stoma-Einsatz wird ein Stück Darm durch die Bauchdecke nach außen geführt. Durch die geschaffene Öffnung kann sich eine Schwachstelle bilden und eine sogenannte parastomale Hernie entstehen. Bevorzugt werde auch dann die Bruchpforte mit einem Netz gesichert. „Dabei gilt, nicht nur die Bauchdecke zu verstärken, sondern auch den Dickdarm zu verschieben“, erklärte der Chirurg. Wichtig sei außerdem der Einsatz moderner Kunststoffnetze mit einer zur Bauchwand hin haftenden Seite und einer glatten Seite, die verhindert, dass Darm und Netz zusammenwachsen. Die Experten rieten, dass vor allem Stoma-Träger keine schweren Lasten heben sollten, um einer Hernie vorzubeugen.
Die von Dr. Passon geleitete Abteilung für Viszeral- und Gefäßchirurgie ist seit 2012 Studien-Zentrum für Hernienchirurgie und nimmt an bundesweiten Studien teil. „Ziel ist es, Patienten mit Weichteilbrüchen zu überwachen, um Qualitätsstandards im Bereich der Hernienchirurgie zu entwickeln“, so der Chefarzt.
Ilona Schulte, Vorsitzende des Fördervereins des Diakonie Klinikums Bethesda, bedankte sich bei der VR-Bank, die den Förderverein seit einigen Jahren sowohl in seiner Arbeit als auch finanziell unterstützt.