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Reflux: wie er entsteht und behandelt werden kann

28.06.2019

In einem Interview für die überregionale Tageszeitung „Die Welt“ beantwortete Gastroenterologe Prof. Dr. Joachim Labenz, Direktor der Inneren Medizin im Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen, was bei der Reflux-Krankheit helfen kann.

Saures Aufstoßen und ein brennendes Gefühl im Hals – wer unter Sodbrennen leidet, kennt Beschwerden wie diese. Bei rund 20 Prozent steckt die Reflux-Krankheit dahinter. Wie und warum sie entsteht und was Betroffenen helfen kann, hat Gastroenterologe Professor Dr. Joachim Labenz in der überregionalen Tageszeitung „Die Welt“ beantwortet.

VON CAROLINE RING

Sodbrennen kennen viele: Etwa die Hälfte aller Erwachsenen in Deutschland leiden einer Umfrage zufolge ab und an darunter. Bei rund 20 Prozent aller Erwachsenen steckt dahinter die Reflux-Krankheit. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Zahl der Betroffenen stark zugenommen. Woran das liegt, weiß Joachim Labenz. Er ist Direktor der Inneren Medizin am Diakonie Klinikum Jung-Stilling und hat zusammen mit Kollegen die Behandlungsleitlinie für die gastroösophageale Refluxkrankheit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten erstellt.

 

WELT: Reflux kennt man als Sodbrennen: der scharfe Geschmack, der sich manchmal nach dem Aufstoßen unangenehm im Mund ausbreitet …

JOACHIM LABENZ: Reflux und Sodbrennen sind nicht gleichzusetzen. Nicht jeder, der Reflux hat, hat Sodbrennen und nicht jeder, der Sodbrennen hat, hat Reflux. Sodbrennen ist zwar das klassische Reflux-Symptom: Drei Viertel aller Reflux-Patienten leiden darunter. Aber ein Viertel der Patienten hat andere Beschwerden.

Nämlich?

Bei ihnen fließt zum Beispiel Mageninhalt zurück in den Mund oder sie haben Symptome im Rachen oder im Kehlkopfbereich: häufiges Räuspern oder Husten etwa. Ein Kloßgefühl im Hals, Stimmstörungen, Husten, Asthma – all das kann durch Reflux verursacht werden. Umgekehrt allerdings ist auch Reflux nur eine von vielen möglichen Ursachen für solche Probleme. Wenn Husten, Räuspern oder Ähnliches in Verbindung mit Sodbrennen oder dem Rückfluss von Mageninhalt auftritt, sind das die typischen Refluxbeschwerden. Es wird zwar auch immer wieder behauptet, dass ein sogenannter stiller Reflux vorhanden sein kann und dann Räuspern oder Husten ohne Sodbrennen oder Ähnliches auftreten, aber das ist medizinisch nicht haltbar.

Wie entsteht Reflux?

Zwischen Speiseröhre und Magen gibt es einen komplizierten Verschlussmechanismus. Er besteht aus einem

Schließmuskel und dem Zwerchfell, das um die Speiseröhre herum angeordnet ist. Dieser Verschluss muss sich öffnen, wenn man etwas schluckt, damit es in den Magen fallen kann und gleichzeitig verhindern, dass etwas vom Magen zurück in die Speiseröhre fließt. Er muss aber auch zulassen, dass er sich öffnet, wenn man aufstoßen muss – damit Luft aus dem Magen entweichen kann. Und er muss sich natürlich öffnen, wenn man erbricht. Es ist also kein Einbahnstraßen-Ventil. Seine Funktion lässt aber bei vielen Menschen im Laufe ihres Lebens nach.

Warum steigt der Mageninhalt die Speiseröhre hinauf?

Der Druck ist im Bauchraum größer als im Brustkorb. Das heißt, gäbe es keinen funktionierenden Verschlussmechanismus zwischen Magen und Speiseröhre, würde der Mageninhalt immer wieder nach oben gedrückt.

Wann wird Sodbrennen bedenklich?

Zwischen der Häufigkeit der Symptome und Schäden in der Speiseröhre besteht kein enger Zusammenhang. Das heißt, man kann häufige und schwere Beschwerden haben, ohne dass die Speiseröhre angegriffen ist. Auf der anderen Seite haben manche Patienten mit erheblichen Schäden in der Speiseröhre wiederum keine Beschwerden. Wenn man einmal im Jahr nach der Weihnachtsgans Sodbrennen hat, ist man nicht gleich krank. Sodbrennen oder die anderen Reflux-Symptome reduzieren aber die Lebensqualität – sie sind einfach unangenehm. Menschen, die einmal oder mehr pro Woche mäßige bis schwere Probleme haben, empfinden das als Einschränkung. Dann ist die Grenze zur Krankheit überschritten.

Woran kann ein Arzt erkennen, dass tatsächlich Reflux die Ursache für Sodbrennen ist?

Man erfragt zunächst, ob Sodbrennen auftritt – also ein brennendes Gefühl hinter dem Brustkorb, das von unten nach oben aufsteigt. Dann geht man von der häufigsten Ursache aus: Reflux. Wenn das aber nicht eindeutig ist, kann man den Reflux messen. Dafür bringt man eine Sonde in die Speiseröhre ein, die dort den pH-Wert der Umgebung misst. Der Patient kann zugleich angeben, wann er Symptome verspürt hat. Dann kann man erkennen, ob die Messwerte und die Beschwerden miteinander zusammenhängen. Das macht man aber nur dann, wenn es Therapieschwierigkeiten gibt und man herausfinden will, was das wirkliche Problem des Patienten ist.

Die Diagnose Reflux ist in den vergangenen Jahren häufiger geworden. Woran liegt das?

Eine der wesentlichen Ursachen ist Übergewicht. Wenn man beispielsweise viel Bauchfett hat, nimmt der Druck im Bauchraum zu und damit auch der Druck auf den Verschlussmechanismus, was dann Reflux auslöst.

Wer Reflux hat, fürchtet oft, in der Folge an Speiseröhrenkrebs zu erkranken.

Speiseröhrenkrebs durch Reflux hat in den vergangenen Jahren tatsächlich deutlich zugenommen in den Ländern der westlichen Welt. Das Risiko, daran zu erkranken, ist für den einzelnen Betroffenen aber nicht sehr hoch. Ich habe das selbst einmal anhand von Literaturdaten ausgerechnet: Von 10.000 Menschen mit Reflux kriegen vier Speiseröhrenkrebs – und 9996 nicht.

Reflux ist also gar nicht die Hauptursache für Speiseröhrenkrebs?

Reflux verursacht in Ländern der westlichen Welt etwa die Hälfte aller Speiseröhrenkrebserkrankungen.

Bei den meisten Patienten wird die Speiseröhre selbst aber nicht wesentlich angegriffen: Nur bei 30 Prozent aller Patienten mit Sodbrennen oder ähnlichen Beschwerden ist die Speiseröhrenschleimhaut geschädigt, bei 70 Prozent ist sie dagegen intakt. An den Symptomen kann man allerdings nicht erkennen, in welchem Zustand die Speiseröhre ist. Deshalb lautet die allgemeine Empfehlung: Hat man längerfristig Refluxbeschwerden, sollte man eine Spiegelung der Speiseröhre durchführen lassen.

Können Schäden der Speiseröhre auftreten, ohne dass der Patient etwas davon mitbekommt?

Wir wissen dank einer schwedischen Untersuchung, dass sechs Prozent der erwachsenen Bevölkerung sichtbare Entzündungen durch Reflux in der Speiseröhre haben, davon aber gar nichts merkt. Es gibt also tatsächlich keinen engen Zusammenhang zwischen den Schäden in der Speiseröhre und den Symptomen.

Warum sollen Refluxpatienten sich beim Schlafen auf die linke Seite legen?

Das hat anatomische Gründe: Wenn man auf der linken Seite liegt, fließen auch Magensaft und -inhalt auf die linke Seite. Die Speiseröhre mündet aber rechts in den Magen. Das heißt, allein aus mechanischen Gründen ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass Mageninhalt in die Speiseröhre zurückfließt. Rechtslage ist daher die ungünstigste Position für Refluxpatienten. Es gibt sogar Kissen oder Gestelle, die dafür sorgen, dass man nachts auf der linken Seite liegt.

Warum fördern fettige Mahlzeiten Reflux?

Wenn man eine große Mahlzeit isst, wird der Druck im Magen höher und auch der Druck in Richtung Speiseröhre. Fett bleibt besonders lange im Magen – länger als Kohlenhydrate oder Proteine. Große, fette Mahlzeiten können daher den Reflux begünstigen.

Was ist mit Kaffee?

Kaffee gilt allgemein nicht als typischer Auslöser für Reflux. Es gibt aber Faktoren, die sich unter Umständen negativ auf den Verschlussmechanismus auswirken. Das ist aber individuell sehr unterschiedlich, weil jeder Mensch anders auf Lebensmittel reagiert. Es gibt deshalb auch keine Antirefluxdiät – eine Ernährung, die man allen Refluxpatienten empfehlen könnte.

Oft heißt es, der Magen von Refluxpatienten würde zu viel Säure produzieren…

Das ist falsch. Refluxkranke haben in der Regel eine normale Säureproduktion, nur ist die Säure bei ihnen an der falschen Stelle. Magensäure ist extrem aggressiv: Würde man eine Rasierklinge abends in ein Glas mit Magensäure legen, wäre sie am nächsten Morgen verschwunden. Gelangt die Säure in die Speiseröhre, ist die Schleimhaut das nicht gewöhnt und reagiert entsprechend.

Trotzdem werden oft Magensäurehemmer verschrieben, weil sie die Produktion von Magensäure drosseln sollen.

Mit diesen Medikamenten ändert man am Reflux insofern wenig, als dass der Rückfluss in die Speiseröhre nicht verhindert wird. Man verändert nur die Qualität des zurückfließenden Mageninhalts: Die Säure darin ist dann nicht mehr so stark und damit nicht mehr so aggressiv.

Magensäurehemmer stehen in der Kritik, weil sie dauerhaft das Säureverhältnis im Magen stören würden.

Natürlich verändern Magensäurehemmer die Zusammensetzung des Magensafts, aber nicht so dramatisch, wie es oft dargestellt wird. Die Magensäure wird damit nicht neutralisiert, sondern der pH-Wert wird nur auf ein weniger aggressiveres Niveau gehoben. Es gibt auch Krankheiten, bei denen Menschen überhaupt keine Magensäure bilden – sie spüren das aber in der Regel überhaupt nicht. Der Gedanke, man würde dem Magen Säure entziehen, und das wäre schlecht für ihn, ist daher ohne Substanz.

Was ist mit sogenannten Antazida – die sollen ja auch die Magensäure neutralisieren.

Antazida reichen bei Refluxbeschwerden oft nicht aus. Sie neutralisieren nur kurzfristig Säure, die in die Speiseröhre zurückgelaufen ist. Der Magen produziert aber einen bis 1,5 Liter Säure am Tag – wenn man das mit Antazida neutralisieren wollte, müsste man Unmengen davon zu sich nehmen. Man kann Antazida zur Akutbehandlung von Sodbrennen einsetzen, aber sie eignen sich nicht für eine längerfristige oder hoch dosierte Therapie.

Es gibt außerdem die Möglichkeit, den Verschlussmechanismus mit einer relativ kleinen Operation zu behandeln.

Das ist heute nur für einen verschwindend geringen Anteil der Patienten eine Option. Insgesamt werden nur 0,05 Prozent der Patienten operiert, also 99,95 Prozent nicht. Eine Operation ist ein Reserve- oder Nischenverfahren, weil es derzeit noch kein ideales Verfahren gibt.

Zur Person:

Der Gastroenterologe Professor

Joachim Labenz, 63, ist Direktor

der Inneren Medizin am Diakonie-

Klinikum Jung-Stilling und arbeitet

bei der Deutschen Gesellschaft

für Gastroenterologie,

Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten

an der Erstellung von

Behandlungsleitlinien mit.

 

Quelle des Interviews: DIE WELT

Erscheinung: Dienstag, 11. JUNI 2019, SEITE 20

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