Betroffene sind Experten in eigener Sache
Jan-Frederik Fröhlich (rechts) referierte beim Siegener Forum Gesundheit zum „Peer Counseling“. Gemeinsam mit Bianca Saßmannshausen und Dominik Hartmann unterstützt er bei der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) in Siegen Menschen mit Behinderungen (Archivfoto: EUTB).
Mut fassen, sich weiterentwickeln und eigene Lösungen finden: Beim „Peer Counseling“ unterstützen und beraten sich Menschen mit ähnlichen Lebenserfahrungen, um sich in ihren Entwicklungsprozessen zu bestärken. „Betroffene sind Experten in eigener Sache: Das Peer Counseling hilft dabei, ein selbstbestimmtes Leben zu führen“, stellte Jan-Frederik Fröhlich, Leiter der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) in Siegen, in seinem Online-Vortrag, organisiert von der Selbsthilfe-Kontaktstelle der Diakonie in Südwestfalen, klar.
„Ein ‚Peer‘ ist ein Mensch mit vergleichbaren Erfahrungen, zum Beispiel im sozialen oder kulturellen Bereich, oder in einer ähnlichen Lebenssituation, und ‚Counseling‘ ist das englische Wort für Beratung", erläuterte Jan-Frederik Fröhlich den Fachbegriff. „Beim Peer Counseling beraten also Betroffene andere Betroffene.“ In der Praxis kann dies etwa bedeuten, dass sich eine gehörlose Person mit Hilfe eines Gebärdendolmetschers mit einer Person, die einen Rollstuhl nutzt, zu gemeinsamen Themen wie Hürden beim Nutzen des öffentlichen Nahverkehrs oder Diskriminierung im Alter austauscht. „Der Peer-Kontakt kann auch mehrere Ebenen umfassen, zum Beispiel das Geschlecht, das Alter und die Art der Beeinträchtigung. Gerade bei sensiblen Themen wie Pflege, Sexualität oder Grenzverletzungen kann ein solcher Peer-Kontakt auf mehreren Ebenen für ratsuchende Menschen besonders wichtig sein“, erklärte Jan-Frederik Fröhlich anhand eines weiteren Beispiels: Zwei erblindete Frauen sprechen nicht nur über ihre Sehbeeinträchtigung, sondern auch über Gewalterfahrungen in der Partnerschaft. Dabei ersetzt das „Peer Counseling“ keine Therapie oder Beratung durch Kostenträger, wie der Referent betonte: „Die Methode erfordert die Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren. Es geht um Empowerment, also darum, Kontrolle über das eigene Leben zu erlangen – soziale Kontakte zu knüpfen, Selbstvertrauen zu entwickeln und sich aktiv Problemen zu stellen.“
Das Konzept der Peer-Beratung kennzeichnet auch die Arbeit der EUTB. Das dreiköpfige Team besteht aus Menschen mit Behinderungserfahrungen sowie ehrenamtlichen Peer-Beratern. Unter dem Motto „Eine für Alle“ unterstützt die Beratungsstelle bei Themen, die Menschen mit Behinderungen oder Unterstützungsbedarfen im Alltag begegnen – von Wohnen, Arbeitsleben und Finanzen bis hin zum Umgang mit Behörden. „Wir stärken Menschen in ihrer Selbstbestimmung, sind Sprachrohr für Ratsuchende und fördern Netzwerke bestehender Angebote“, fasste Jan-Frederik Fröhlich das kostenfreie Angebot, das durch den Verein für Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung Siegen-Wittgenstein e.V. getragen wird, zusammen.